Der digitale Wandel der Versicherungsbranche
Inhaltsverzeichnis
Die Digitalisierung durchdringt alle Bereiche der Gesellschaft und der Wirtschaft und verändert die Art und Weise, wie wir leben und arbeiten. Die Corona-Pandemie wirkte dabei nicht nur als Katalysator in puncto Remote-Work, vielmehr veränderte sie auch das Anforderungsprofil von Kunden an Unternehmen. Die Versicherungswirtschaft bildet da keine Ausnahme. Sie steht seither vor der Herausforderung, ihre Geschäftsprozesse an die digitale Ära und die damit verbundenen wachsenden Anforderungen ihrer Kunden an Produkte und Prozesse anzupassen.
Laut dem Global Insurance Report 2022 von McKinsey haben sich die Häufigkeit der Interaktionen und der Grad der Personalisierung seither dramatisch verändert. Zudem stiegen allein in der ersten Jahreshälfte 2020 die E-Commerce-Verkäufe innerhalb der Branche so stark an, wie in den zehn Jahren zuvor. Tiefgreifende Veränderungsprozesse vollzogen sich jetzt innerhalb von Tagen statt Dekaden.
In diesem Artikel werfen wir einen Blick darauf, wie die Digitalisierung der Versicherungsbranche und neue Technologien die Art und Weise verändern, wie Versicherer arbeiten, kommunizieren und ihre Kunden bedienen. Der Schwerpunkt liegt auf dem Thema Prozessautomatisierung. Das damit einhergehende Potenzial spielt auch für Versicherungsmakler eine immer größere Rolle – nicht zuletzt auch zugunsten der Verbraucher.
KI und Automatisierung verändern das Spiel
Die Versicherungsunternehmen müssen diese Veränderungen strategisch annehmen und ihre Geschäftsmodelle anpassen, um wettbewerbsfähig zu bleiben und die Bedürfnisse der Kunden zu erfüllen.
Vor allem zwei technologische Treiber beflügeln die Transformation bzw. Digitalisierung der Versicherungsbranche und ergänzen sich teilweise gegenseitig: Künstliche Intelligenz und Prozessautomatisierung. Beispielsweise kann generative KI durch die automatisierte Dateneingabe, Dokumenten-Verarbeitung und Zentralfunktionen die Effizienz und Produktivität insbesondere von internen Prozessen und Abläufen erheblich steigern.
Beispiele für Zentralfunktionen in diesem Kontext sind:
- In der HR: KI kann Personalakten verwalten, Arbeitsverträge erstellen oder die Mitarbeiterfluktuation vorhersagen. Insgesamt können dadurch Aufgaben schneller und genauer erledigt werden, was zu einer Reduzierung von Fehlern und schnelleren Antworten auf Personalanfragen führt.
- Im Marketing: Kundendaten können analysiert und Trends erkannt werden, um personalisierte Kampagnen zu entwickeln. Auch einfache Inhalte für Social Media oder Blogs können generiert werden, um die Reichweite und das Engagement der Zielgruppe zu erhöhen.
- Beim Reporting: Daten aus verschiedenen Quellen können gesammelt und analysiert werden, um Berichte auf Knopfdruck zu erstellen. Entscheidungsträger können so schnell wertvolle Einblicke erhalten, um datenbasierte Entscheidungen zu treffen.
Prozessautomatisierung im Detail
Definition und grundlegende Konzepte
Prozessautomatisierung bezeichnet die Verwendung von Technologie zur Automatisierung von manuellen, sich wiederholenden Aufgaben und Prozessen, um Effizienz und Produktivität in Unternehmen zu steigern. Durch den Einsatz von Software-Tools und intelligenter Automatisierung können zuvor manuell ausgeführte Aufgaben schneller, genauer und mit weniger menschlichem Aufwand erledigt werden.
Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Automatisierung von Geschäftsprozessen, die klar definierte Eingaben und Ausgaben haben und sich durch vorhersehbare Schritte auszeichnen. Diese Prozesse können eine Vielzahl von Funktionen umfassen, darunter Kundenservice, Datenverwaltung, Rechnungsstellung und viele andere wiederholende Aufgaben.
Prozessautomatisierung in der Digitalisierung der Versicherungsbranche zielt darauf ab, menschliche Mitarbeitende von zeitraubenden, monotonen Aufgaben zu befreien, sodass sie sich auf kreativere, strategische Tätigkeiten konzentrieren können. Dies führt zu einer verbesserten Mitarbeitererfahrung und ermöglicht es Unternehmen, ihre Ressourcen effizienter zu nutzen.
Wie funktioniert Prozessautomatisierung?
Die Implementierung von Prozessautomatisierungstechnologien folgt in der Regel einem schrittweisen Ansatz, um sicherzustellen, dass die Lösungen effektiv und nahtlos in die bestehenden Systeme und Prozesse eines Unternehmens integriert werden. Hier ist ein allgemeiner Überblick über die Schritte zur Implementierung der Prozessautomatisierung:
Schritt 1: Prozessanalyse und -auswahl
Der erste Schritt besteht darin, die aktuellen Prozesse innerhalb eines Unternehmens zu kartieren und zu analysieren. Dies beinhaltet die Identifizierung von sich wiederholenden, manuellen Aufgaben, die sich für die Automatisierung eignen. Wichtig ist es, Prozesse auszuwählen, die klar definierte Eingaben und Ausgaben haben und sich durch vorhersehbare Schritte auszeichnen. Prozesse mit hohem Volumen, geringer Komplexität und großem manuellen Aufwand sind in der Regel die besten Kandidaten für die Automatisierung.
Schritt 2: Planung und Design
Sobald die Prozesse identifiziert sind, müssen sie modelliert und geplant werden, um sicherzustellen, dass die Automatisierung effektiv ist. Dazu gehört das Verständnis der verschiedenen Schritte innerhalb eines Prozesses, die Festlegung der erforderlichen Eingaben und Ausgaben und die Entscheidung über die am besten geeigneten Automatisierungstools.
Dieser Schritt erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Fachabteilungen, IT-Experten bzw. Automatisierungsspezialisten, um sicherzustellen, dass die Lösung den Anforderungen aller Beteiligten entspricht. Es ist wichtig, den Umfang und die Grenzen der Automatisierung zu definieren und alle potenziellen Auswirkungen auf bestehende Systeme und Mitarbeitende zu berücksichtigen.
Schritt 3: Auswahl der richtigen Tools
Es gibt eine Vielzahl von Automatisierungstools auf dem Markt, und die richtige Auswahl hängt von der Art des zu automatisierenden Prozesses ab. Hier sind einige gängige Automatisierungstools, die moderne Maklerverwaltungsprogramme unterstützen können:
- Robotic Process Automation (RPA): RPA-Tools verwenden Software-Roboter, um wiederholende Aufgaben auszuführen, die zuvor von Menschen durchgeführt wurden. Diese Roboter können mit verschiedenen Systemen interagieren, Daten eingeben und extrahieren und Aufgaben nach festgelegten Regeln ausführen.
- Optische Zeichenerkennung (OCR): OCR-Technologien extrahieren Text aus Bildern und gescannten Dokumenten, wodurch Daten aus physischen Dokumenten extrahiert und in digitaler Form verarbeitet werden können. Unsere Software nutzt OCR-Technologie für die Klassifizierung und Extraktion von Daten aus Dokumenten.
- Workflow-Management-Systeme: Diese Tools helfen bei der Modellierung, Automatisierung und Überwachung von Geschäftsprozessen. Sie ermöglichen es Unternehmen, Prozesse zu entwerfen, Aufgaben zuzuweisen und den Fortschritt zu verfolgen. In unserer Verwaltungssoftware ist eine hochflexible Prozesssteuerung integriert, mit der viele Arbeitsprozesse automatisiert werden können. Benutzer definieren selbst, welche Vorgänge, Eingaben und Zustände überwacht werden sollen und welche Aktionen auf bestimmte Ereignisse folgen. Zu den möglichen Aktionen gehören unter anderem:
Automatischer E-Mail-Versand
Erstellung von Dokumenten
Erzeugung von Terminen, Aufgaben, Wiedervorlagen und Tickets
Anzeige von Hinweisen
Unsere Lösung kombiniert diese Technologien, um den speziellen Anforderungen im Bereich der Dokumentenverarbeitung gerecht zu werden und gleichzeitig eine effiziente Prozesssteuerung zu ermöglichen.
Schritt 4: Entwicklung und Testing
In diesem Schritt wird die geplante Automatisierungslösung entwickelt und getestet. In der Regel arbeiten Fachleute für Automatisierung und IT-Experten zusammen, um die erforderlichen Skripte zu erstellen, die den Prozess automatisieren werden. Weniger komplexe Automatisierungsaufgaben lassen sich allerdings oft auch schon durch Low-code-/No-Code-Anwendungen von Laien erstellen. In einigen Fällen kann sogar eine KI selbstständig sich wiederholende Aufgaben erkennen und eine Automatisierung vorschlagen.
Je komplexer das Automatisierungsunterfangen, desto wichtiger sind umfangreiche Tests, um sicherzustellen, dass die Lösung wie vorgesehen funktioniert. Unit-Tests, Integrationstests und schließlich End-to-End-Tests helfen dabei, potenzielle Fehler oder Probleme zu identifizieren, bevor die Lösung implementiert wird.
Schritt 5: Implementierung und Überwachung
Sobald die Lösung für gut befunden wurde, kann sie in der Produktionsumgebung implementiert werden. Dies kann schrittweise erfolgen, insbesondere bei größeren Implementierungen, um sicherzustellen, dass alle Probleme behoben werden und die Lösung wie erwartet funktioniert.
Die Überwachung der automatisierten Prozesse ist unerlässlich, um ihre Leistung zu bewerten und sicherzustellen, dass sie die gewünschten Ergebnisse liefern. Zur Not können Unternehmen so noch rechtzeitig auf unerwartete Ereignisse oder Änderungen in den Eingabedaten reagieren und die Lösung entsprechend anpassen.
Vorteile der Prozessautomatisierung im Überblick
Nachdem die Lösungen erfolgreich implementiert wurden, profitieren Versicherungsmakler von zahlreichen Vorteilen. Hier sind einige Beispiele für die Nutzen, die sich aus der Digitalisierung der Versicherungsbranche ergeben:
- Zeit- und Kostenersparnis: Dateneingaben, Dokumenten-Verwaltung und Rechnungsstellung können schneller und effizienter erledigt werden, wodurch die Betriebskosten gesenkt werden.
- Verbesserte Genauigkeit und Konformität: Durch die Standardisierung von Prozessen und die Gewährleistung, dass Aufgaben nach festgelegten Regeln ausgeführt werden, verbessert Automatisierung die Genauigkeit und stellt die Einhaltung von Vorschriften und Branchenstandards sicher.
- Erhöhte Produktivität: Prozessautomatisierung führt zu einer höheren Produktivität, da Versicherungsmakler ihre Zeit mehr für strategische Aufgaben wie Kundenbetreuung, Verkaufsförderung und Geschäftsentwicklung nutzen können.
- Verbesserte Kundenzufriedenheit: Kunden profitieren von kürzeren Reaktionszeiten, rund um die Uhr verfügbarem Support und einem nahtlosen Service-Erlebnis.
Digitalisierung der Versicherungsbranche: Praktische Beispiele
Nachdem wir jetzt viel über das theoretische Potenzial von Automatisierungslösungen gesprochen haben, wollen wir uns einige praktische Beispiele anschauen:
Beispiel 1: Automatisierte Schadensfallbearbeitung
Bei Eingang eines Schadensfallantrags kann das Versicherungsunternehmen über einen RPA-Bot die relevanten Informationen aus dem Antrag extrahieren, einschließlich persönlicher Daten des Versicherungsnehmers, Art des Schadens und geschätzter Kosten.
Der Bot kann dann diese Informationen überprüfen, indem er sie mit bestehenden Richtlinien und Deckungslimits abgleicht. Wenn der Schadenfall innerhalb der Deckungsparameter liegt, kann der Bot den Anspruch automatisch genehmigen und die Zahlung veranlassen. Bei komplexeren Fällen kann der Bot den Fall an den entsprechenden Bearbeiter weiterleiten und alle relevanten Informationen bereitstellen, wodurch die manuelle Eingabe reduziert wird.
Darüber hinaus kann die Automatisierung verwendet werden, um den Status des Schadensfalles zu verfolgen und den Versicherungsvermittler bzw. Versicherungsnehmer über den Fortschritt auf dem Laufenden zu halten, wodurch die Notwendigkeit häufiger Nachfragen reduziert wird.
Beispiel 2: Automatisierte Verarbeitung privater Veränderungen
Sobald ein Kunde eine private Veränderung wie einen Umzug, eine Namensänderung oder eine Änderung im Familienstand meldet, kann diese Information automatisiert an die entsprechenden Versicherungsunternehmen zur Aktualisierung der Daten weitergeleitet werden. Gleichzeitig wird der zuständige Berater automatisiert über den potenziellen Beratungsanlass informiert.
Beispiel 3: Automatisierte Antragsüberwachung
Bei der Einreichung eines Versicherungsantrags kann der Status des Antrags bei den Versicherungsunternehmen automatisiert überprüft werden. Sobald eine Verzögerung bei der Policierung festgestellt wird, wird automatisch eine Erinnerung an das Versicherungsunternehmen gesendet, um die Bearbeitung zu beschleunigen.
Falls die Policierung weiterhin aussteht, kann die Prozessautomatisierung den Fall an das Backoffice eskalieren, um eine detaillierte Prüfung und gegebenenfalls eine Intervention zu initiieren. Dies gewährleistet, dass Anträge zügig bearbeitet werden und die Kunden nicht unnötig lange auf ihre Versicherungspolicen warten müssen.
Die Zukunft der Versicherungsbranche: Trends und Entwicklungen
Die Versicherungsbranche entwickelt sich weiter, und Prozessautomatisierung wird eine immer wichtigere Rolle dabei spielen. Hier sind einige Trends und Entwicklungen, die die Zukunft der Versicherungsbranche und der Prozessautomatisierung prägen werden:
- Erweiterte Analytik und KI: Der Einsatz fortschrittlicher Analytik und künstlicher Intelligenz wird zunehmen, wodurch immer komplexere Prozesse automatisiert werden können.
- Hyperautomation: Hyperautomation geht über die einfache Automatisierung einzelner Aufgaben hinaus und zielt darauf ab, ganze Geschäftsbereiche zu transformieren. Es beinhaltet die Integration mehrerer Automatisierungstechnologien, um eine umfassende Automatisierungslösung zu schaffen.
- Cloudbasierte Automatisierung: Laut dem aktuellen Sollers Predictions Report für die Versicherungsbranche wird 2024 die Cloud-Migration neben dem Datenmanagement das Hauptthema für Versicherungsunternehmen sein. Folgt man der Prognose, werden in Europa mehr als 20 % der Ersetzungen von Kernsysteme in der Cloud erfolgen. Durch die Migration zu Cloud-basierten Systemen können die Vorteile skalierbarer und flexibler Automatisierungslösungen genutzt werden. Cloud-Plattformen bieten eine Vielzahl von Tools und Services, die nahtlos integriert werden können, wodurch die Implementierung und Verwaltung von Automatisierungsprojekten erleichtert wird.
- Fokus auf das Kundenerlebnis und Open Insurance: Versicherer werden sich weiterhin auf die Verbesserung des Kundenerlebnisses konzentrieren, indem sie digitale Interaktionen personalisieren und vereinfachen. Open Insurance ermöglicht – nach vorheriger Zustimmung – den Austausch personenbezogener und nicht personenbezogener Daten über offene APIs. Große Versicherer können so mit kleineren Insurtechs zusammenarbeiten, um zusätzliche Services anzubieten und Versicherungsangebote durch Daten von Telematik- oder IoT-Devices stärker personalisieren.
Fazit
Die Digitalisierung der Versicherungsbranche hat den Markt grundlegend verändert und bietet neue Chancen für Versicherungsmakler. Prozessautomatisierung ist ein wichtiger Bestandteil dieser Veränderungen, da sie die Effizienz und Produktivität in Unternehmen steigert. Durch die Automatisierung von manuellen, wiederholenden Aufgaben können Versicherungsmakler ihre Zeit und Ressourcen besser nutzen und sich auf strategische Aufgaben wie Kundenbetreuung und Geschäftsentwicklung konzentrieren. Immerhin haben die deutschen Versicherungsunternehmen die Trendwende erkannt und investierten laut einer im Januar veröffentlichten GDV-Studie im Jahr 2022 insgesamt 5,9 Mrd. EUR in ihre IT. Das ist mehr als im Corona-Jahr 2020 (5,7 Mrd. EUR), als Homeoffice und digitale Angebote Pflicht wurden – das ist mehr als jemals zuvor.